Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) hat in einem Urteil vom 21. Mai 2008 (L 10 VG 6/07) entschieden, dass auch Opfern von ärztlichen Behandlungsfehlern ein Anspruch auf Entschädigung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG) zustehen kann. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die geschädigte Person vorsätzlich nicht über die Risiken des Eingriffs aufgeklärt wurde. Es bestätigte damit eine Entscheidung der Vorinstanz.
Im vorliegenden Fall hatte eine Geschädigte gegen das Land Nordrhein-Westfalen auf Opferentschädigung geklagte, nachdem der sie operierende Arzt zu einer mehrjährigen Haftstrafe wegen vorsätzlicher Körperverletzung verurteilt worden war.
Hintergrund waren zwei Schönheitsoperationen, die der Mediziner bei der Klägerin vorgenommen hatte. Obwohl die Patientin ihre Krankengeschichte offen gelegt hatte, verschwieg ihr der Arzt, dass dadurch erhebliche Risiken von Komplikationen und Nebenwirkungen des beabsichtigten Eingriffs bestanden. Nach Durchführung der Operationen traten jeweils schwere Gesundheitsschäden bei der Klägerin auf.
Das Gericht sah dadurch einen tätlichen Angriff im Sinne des § 1 OEG gegeben. Da die Patientin bewusst nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden war, fehlte es an einer wirksamen Einwilligung zu den durchgeführten Eingriffen. Diese sein deshalb als rechtswidrige Körperverletzungen anzusehen. Ferner sei der Klägerin dadurch auch ein Schaden entstanden.
An dieser Wertung ändere sich auch dadurch nichts, dass der Arzt „nur“ im Hinblick auf die unterlassene Risikoaufklärung vorsätzlich gehandelt habe, der entstandene Schaden aber fahrlässig verursacht worden sei. Durch die fehlende Aufklärung stelle der gesamte Eingriff trotzdem eine (einfache) vorsätzliche und rechtswidrige Körperverletzung dar.
Da es sich zudem um eine kosmetische und damit medizinisch nicht indizierte Operation gehandelt hatte, bestand auch keine „Heilungsabsicht“ des Arztes, die der Annahme eines tätlichen Angriffs eventuell hätte entgegen stehen können.
Das LSG sah ferner keinen Grund, den ärztlichen Eingriff generell vom Anwendungsbereich des OEG auszunehmen. Zwar handele es sich hierbei nicht um den klassischen Fall von Gewaltkriminalität. Die Richter sahen aber keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber bei Verabschiedung des Gesetzes eine derartige Begrenzung gewollt hätte.
Die Entscheidung kann im Volltext unter http://www.sozialgerichtsbarkeit.de abgerufen werden.
Rechtsanwalt Alexander T. Schäfer
Medizinrecht & Schadensrecht | Frankfurt am Main